MIYE LEE
Lee ist 1970 in Jeonju/Südkorea geboren und lebt seit 1994 in Wien.
Ihre Arbeiten bestechen durch ein tiefempfundenes Form- und Farb-Gefühl und durch die Setzung von ornamentalen Elementen,
die die abstrakte Grundstruktur der Natur überzeugend in die Sphäre der Kunst übersetzt:
Die literarische Kategorie des Poetischen wird zum Motiv ihrer Bilder, die an die heitere Malerei von Henri Matisse und
die ornamental-floralen Strukturen des Wiener Jugendstils erinnern.
Miye Lee, Darmstadt, Galerie Netuschil
Vernissage; Sonntag, 6. März, 11 Uhr, bis 23. April 2022
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 6. März 2022
MIYE LEE
Meine aktuellen Arbeiten sind stark von der Natur inspiriert. Ich versuche meine Eindrücke und Empfindungen in einer sehr
reduzierten und abstrahierten Form darzustellen. Beim Spazierengehen in der Natur, beim Meditieren im Garten nehme ich
die Formen und Farben meiner Umgebung wahr, bewusst und unbewusst. Sie werden zu Grundelementen meiner Malerei.
Einfache Gräser, Wiesenblumen, grüne Hügel und blaue Himmel beeindrucken mich, sie sind meine Inspiration.
Beim Malen nehme ich keine Vorlagen, weil ich meine eigenen Vorstellungen, meine inneren Bilder von der Natur
darstellen möchte. Die Leinwand liegt beim Malen am Boden, und ich kann das Bild von allen Seiten bearbeiten,
es gibt bei vielen Bildern daher eigentlich kein oben und unten. Durch die Unterschrift auf der Rückseite definiere ich
mein persönliches oben und unten, aber jeder kann das für sich selbst entscheiden. Beim Prozess des Malens bestimmt
eine spielerische Spontanität, eine schnelle Pinselführung und meistens sehr dünnflüßig, pastos aufgetragene Farbe,
die Spuren und frei entstehende Strukturen entstehen lässt, die ich teils korrigiere und teils bestehen lasse, sich selbst
im Bild integrieren. Ich habe oft das Gefühl, dass ich beim Malen die Zeit vergesse. Ich tauche in das Bild ein.
Und irgendwann, stehe ich vor dem fertigen Bild und bin selbst immer wieder ein wenig überrascht vom Ergebnis.
Nach einiger Zeit, betrachte ich meine Arbeit erneut und frage mich bei jedem Bild, ob es wirklich fertig ist,
ob ich damit zufrieden bin. Und so kann es passieren, dass ich Bilder wieder und wieder übermale,
was dann auch auf der Rückseite dokumentiert ist.
Miye Lee 2021
MIYE LEE - Poesie der Natur
Leuchtend abstrakte Bilderwelt zwischen Naturerfindung und Naturempfindung, Geste und
ornamentaler Abstraktion, die sehr spontan und unmittelbar den Betrachter aufnehmen in die
künstlerische Welt von Miye Lee. Strahlend offene Bilder, ihre Bilder haben uns angestrahlt.
Miye Lee ist Malerin der großen Geste, die Präsenz hat und eine ausgesprochene
Selbstbewusstheit. Die Kraft, diese Kraft der Form und Linie, gehoben ins malerische, entspringt, so bin ich überzeugt,
ihrer intensiven Beschäftigung mit Kalligrafie, wo Wort zum Bild, wo Bild zur Poesie wird. Miye Lees Leinwände bestechen
durch ein tief empfundenes Gefühl für Farbe und Form und durch die Setzung von ornamentalen Elementen, die die abstrakte
Grundstruktur der Natur überzeugend in die Sphäre der Kunst transformiert. Die literarische Kategorie des
Poetischen wird zum Motiv ihrer Bilder und jedes Bild wird zum Poem, zum Gedicht. Dabei sind ihre Bilder nie literarisch,
sondern immer pure Malerei. Seit drei Jahrzehnten lebt sie in Europa und ist im großen Weltvergleich eingetaucht in die
europäische Kunstgeschichte. In vielen Bildern weht mich die heitere Welt Henri Matisse an. Nicht wissend, ob ihr diese
Bezüge überhaupt bewusst sind. Es ist das schwebende, was ich an ihren Bildern so schätze, das Leichte, das Atmosphärische,
was Stimmung der Bilder ausmacht und was sie uns unmittelbar erschließt. Flächen des Opaken, des geschlossenen Farbauftrags
wechseln mit ungeheurer Transparenz, die Tiefe vermittelt und Plastizität. Aspekte des Wiener Jugendstils mit
ornamental-floralen Strukturen tauchen in meiner Erinnerung auf, ein Zusammenhang, den die Künstlerin, ich glaube,
noch nie in ihren Gedanken bewegt hat. Seit 25 Jahren lebt sie in Wien, der Stadt der Musik eines Mozarts, Beethovens,
Schuberts und Strauß Familie, aber auch die Stadt Gustav Klimts und Egon Schieles, Koloman Mosers und Dagobert Peche.
Ahnbare Elemente der Natur - Gräser, Wiesenblumen, grüne Hügel und blaue Himmel- oszillieren mit den abstrakten
Scheibenbilder und mit der immerwährend malerischen Geste. Sie selbst schreibt einmal Der Schwerpunkt meiner Malerei ist
die Abstraktion. Die Grundelemente meiner Bilder sind locker aufgetragene Kreise, in unterschiedlichen Farben und Größen,
die sich oft auch überlagern. Meine Pinselführung ist deutlich ablesbar, hinterlässt Spuren und Farbspritzer.
Die so entstehenden Bildkompositionen, versuche ich in einem spannungsvollen aber doch harmonischen Gleichgewicht zu halten.
Mein bevorzugtes Bildformat ist das Quadrat. Meine Farbkombinationen sind spielerisch und experimentell. Viele verschiedene
Farben existieren nebeneinander, teilweise übereinander und beeinflussen sich gegenseitig. Mich begeistert die ursprüngliche
Wirkung der Farbe, und im Besonderen das Wechselspiel der verschiedenen Farben zueinander. Auch hier bin ich immer auf der
Suche nach neuen, spannungsvollen Farbkombinationen.
Ein Beispiel, in dem ihre Malerei Fortsetzung auf einem skulpturalen Objekt findet, einer keramischen Vasenform.
Für Miye Lee eine Transformation von der zweiten in die dritte Dimension. Beim Malen ist sie dabei in Bewegung,
im Drumherumgehen, so wie der Betrachter nie das gesamte Bild sieht, auch er muss drumherumgehen.
In ihrer abstrakten Malerei anverwandelt Miye Lee über die Farbe und die Form ihrer inneren Bildern der realen Natur.
Claus K. Netuschil
(Textauszug der Eröffnungsrede - Poesie der Natur - 6. März 2022)
MIYE LEE - VASEN
Meine Malerei auf Vasen zu übertragen entspringt der Idee, die lebhaften, leuchtenden Farben
auf einer neuen / anderen Oberfläche noch brillanter zum Ausdruck zu bringen.
Das Bild auf die Vase zu übertragen ist auch eine Transformation vom zweidimensionalen Bild zum dreidimensionalen Raum.
So wird nicht einfach das Motiv eines Bildes auf eine Vase gedruckt, sondern jede Vase wird eigens von mir bemalt.
Beim Malen muss ich mich mit der Situation des Malens im Raum, der Bewegung um das Objekt herum und
der Tatsache des nicht auf einen Blick wahrnehmbaren Bildes auseinandersetzen. Umgekehrt ist es auch für den Betrachter
erforderlich das fertige Bild durch Bewegung im Raum um die Vase zu erfassen.Durch die glatte,
spiegelnde Oberfläche der Vase wird auch die Umgebung durch Spiegelungen und Reflektionen stärker miteinbezogen.
Meine Vasen sind als Objekt/Skulptur, eben nicht als punktionale Gebrauchsgegestand zu verstehen.
Miye Lee MIYE LEE - VASE
Transferring my painting to vases arises from the idea of expressing the lively, bright colors
on a new / different surface even more brilliantly. Transferring the image to the vase is also
a transformation from two-dimensional image to three-dimensional space.
This is not simply the motif of an image printed on a vase, but each vase is painted by myself.
When painting, I have to deal with the situation of painting in space, the movement around the object,
and the fact of the image, which cannot be perceived at a glance.
Conversely, it is also necessary for the observer to capture the finished image by movement in space around the vase.
Due to the smooth, reflective surface of the vase, the surroundings are also more strongly involved through mirroring
and reflections. My vases are to be understood as an object / sculpture, not as a puncture use.
MIYE LEE - CRYSTAL DAYS
Das neu angebrochene Zeitalter bedeutet auch in der Malerei eine Öffnung und Befreiung von alten Mustern.
Die aktuellen Werke der 1970 in Südkorea geborenen Malerin, Miye Lee, verweisen konsequent auf eine Grundhaltung,
die positive Energie und eine mögliche Definition von Glück integriert. Diese Haltung ist in der von Vorgaben und Markttrends
bestimmten Kunstwelt selten oder wird oftmals fälschlicherweise als oberflächlich interpretiert.
Im Gegenzug dazu entsprechen die abstrakten Werke Miye Lees genau den essentiellen Bedürfnissen unserer Zeit nach Leichtigkeit
und Schönheit. Sie sind in ihrer Individualität, Offenheit und Unvoreingenommenheit als zeitgemäß und zeitlos zu betrachten.
Miye Lees Malerei ist stark von der Natur inspiriert, eine strahlende Bildwelt, die emotionale Aspekte, ästhetische
Anziehungskraft, Kraft und zarte Poesie in sich trägt. Die Arbeiten unterliegen keinem Schema. Sie sind Ausdruck einer
inneren, emotionalen Freiheit, die sich fließend entwickelt und durch minimale Eingriffe oder Korrekturen intellektuelle Form
annimmt. Miye Lees abstrakte, gestische Malerei scheint nur auf den ersten Blick schnell und einfach zu bewältigen.
Sie ist mit großen künstlerischen Herausforderungen verbunden und benötigt langjährige Erfahrung mit malerischen Mitteln,
Farbeinsatz und -wirkung, mit dem Duktus, den Techniken der Überlagerung und Schichtung des Farbauftrags. Hier werden
Akzente gesetzt, dort wird etwas spontan hinzugefügt, weggelassen oder wieder verschleiert, übermalt. Es entsteht ein
poetischer malerischer Klang und Rhythmus auf einem offenen Feld der Interpretation, einmal sparsam, einmal dichter gesetzt.
Waren auf älteren Arbeiten auf Papier und Leinwand Köpfe, Kreisformen, oft in Kombination mit dynamischen Farbspritzern zu
sehen, so haben die neuen Bilder aus der früheren Dichte und Ballung zu neuer Klarheit gefunden. Sensible Malerei mit
energetischen Fragmenten durchsetzt wie ein Streifzug an kristallklaren Tagen durch die Natur, eine Reise in das Innere,
eine Aufforderung, sich auf fast meditative Weise von mentalem Ballast und aus Verstrickungen zu lösen -
eine Öffnung durch Kunst und für die Kunst.
Miye Lees Kunst ist einfach, doch stets raffiniert, spielerisch-experimentell, doch bedächtig - eine Spurensetzung
zwischen Spannung und Harmonie. Sie inspiriert auf sehr lebendige Weise dazu, Freiräume wiederzuentdecken.
Barbara Baum, 2014
MIYE LEE - PAINTING
Miye Lee's painting is strongly inspired by nature, a radiant image world that carries emotional aspects, aesthetic appeal,
power and tender poetry. The work is not subject to any scheme. They are an expression of an inner, emotional freedom,
which develops fluently and assumes an intellectual form through minimal interventions or corrections.
Miye Lee's abstract, gestural painting seems to only cope at first glance quickly and easily.
It is associated with great artistic challenges and requires many years of experience with painterly means,
use of color and effect, with the style, the techniques of overlaying and layering the paint application.
Here, accents are set, where something is spontaneously added, omitted or veiled, overpainted.
It creates a poetic, picturesque sound and rhythm in an open field of interpretation, once economical, once more dense.
Miye Lee -The Rainbow and the Tides-
Farbintensive kreis- bzw. kugelförmige Gebilde tummeln sich neben- und manchmal auch übereinander
auf meist quadratischen, stets jeweils monochromen Flächen - offen im Strich der Pinselführung,
bisweilen durch "tachistische" Farbspritzer belebt. Miye Lee fügt ihre neuesten Acrylbilder
zudem gerne zu Diptychen zusammen oder hängt mehrere dieser Bilder eng nebeneinander, sodass
sich eine Art "Storyboard" ergibt - ein Storyboard freilich ohne vordergründige Erzählung.
Diese scheint primär von der Bewegung abstrakter Form- und Farbelemente zu handeln,
wobei Bewegung sowohl innerhalb der jeweiligen Binnenformen als auch (potenziell)
über diese hinausgehend stattfindet.
So mag sich auch der poetische Übertitel dieser per se ungegenständlichen Kompositionen deuten lassen:
als die Farben des Regenbogens, die im Auf und Ab der Gezeiten unterschiedliche Konstellationen eingehen.
Allerdings arbeitet die aus Südkorea stammende Malerin Miye Lee, die in ihrem 21. Lebensjahr zuerst nach München
und dann nach Wien kam, wo sie an der Akademie (bei C. L. Attersee) studiert hat, nicht seit jeher abstrakt.
Ihre "andere Seite" ist die der Malerin von Portraits bzw. Köpfen, welche sie nicht nur in geradezu
fotorealistischer Präzision, sondern mit zugleich stark zeichnerischem Duktus ausführt.
Auch hier arbeitet die Künstlerin in Serien, und auch hier sind die Hintergründe ihrer Motive monochrom-neutral gehalten.
Zu ihrer im Jahr 2008 entstandenen Portrait-Serie schrieb Sigrun A. E. Bohle, dass die Künstlerin hiermit
"ihre besondere Beziehung zum menschlichen Antlitz belebt" habe. Und: "Damit spannt sie einen stilistisch weiten Bogen
zu ihrem bisherigen Werk und variiert ihr Grundthema vom Einzelwesen in der Masse und ihre prägnanten
Kopf-Kreisvariationen auf frappierende Weise." Diese hinwiederum nicht rein "figurativ" gestalteten Kopf-Kreis-Variationen
waren der hier genannten Portraitserie also vorangegangen, womit zunächst ersichtlich wird, dass die Malerin
weniger den sonst in der Malerei oft üblichen Weg von einer der Wirklichkeit näheren zu einer zur Abstraktion
hinführenden "Entwicklung" geht, sondern dass sie beide Kunstsprachen als gleichwertig erachtet.
Von größerer Bedeutung als die "stilistische" Sprache scheint ihr vor allem das von Bohle genannte "Grundthema" zu sein,also
der Mensch zwischen seiner Position als Individuum und als Teil des gesellschaftlichen Kollektivs.
So lautete auch chon der Titel ihres 1999 erschienenen ersten Katalogs: "Das anonyme Gesicht der Masse".
Dazu schrieb Franz Filacher im selben Jahr: "
in diesem Sinne verarbeitet sie auf verschiedenen assoziativen Ebenen
ihre Vision der friedlichen Koexistenz von Kulturen und Konfessionen in Form pastoser, schematisierter Arbeiten,
fokussiert auf das scheinbar eindimensionale Motiv des Kopfes. Das menschliche Mit- und Nebeneinander äußert sich in Bewegung,
Impuls und einem freien Spiel zwischen gesellschaftlicher Dynamik und Indolenz
" Übertragen auf ihre gegenwärtige Arbeit
hat sich das Motiv des Kopfes wohl reduziert auf die hier eingangs genannten rundlichen Farb-Gebilde und -Flecken,
die "Dynamik" in der Korrespondenz dieser Elemente ist aber nach wie vor vorhanden, wenn nicht sogar verstärkt spürbar.
Miye Lee selbst spricht von einem "spannungsvollen aber doch harmonischen Gleichgewicht", in das sie ihre (jetzt "abstrakten")
Farbkompositionen zu bringen trachtet.
Noch immer dürfte dabei Gültigkeit haben, was Brigitte Herberstein vor nunmehr zwölf Jahren geschrieben hatte:
"Der Bilderzyklus reflektiert philosophische Gedankengänge Miye Lees über die Position des individuellen Einzelmenschen
innerhalb der anonymen Masse der Gesellschaft. Die Künstlerin begreift es als Schicksal des menschlichen Individuums, dass
dieses als Bestandteil einer Masse selbst nur mehr anonym in Erscheinung tritt."
Lucas Gehrmann, 2011
Bilder 2010 Der Schwerpunkt meiner Malerei
ist die Abstraktion. Die Grundelemente meiner Bilder sind locker aufgetragene Kreise,
in unterschiedlichen Farben und Größen, die sich oft auch überlagern. Meine Pinselführung ist
deutlich ablesbar, hinterlässt Spuren und Farbspritzer. Die so entstehenden Bildkompositionen,
versuche ich in einem Spannungsvollen aber doch harmonischen Gleichgewicht zu halten.
Mein bevorzugtes Bildformat ist das Quadrat.
Meine Farbkombinationen sind spielerisch und experimentell. Viele verschiedene Farben existieren
nebeneinander, teilweise übereinander und beeinflussen sich gegenseitig.
Mich begeistert die ursprüngliche Wirkung der Farbe, und im Besonderen das Wechselspiel der
verschiedenen Farben zueinander. Auch hier bin ich immer auf der Suche nach neuen spannungsvollen
Farbkombinationen.
Miye Lee
Miye Lee hat in ihren neuesten Werken ihre
besondere Beziehung zum menschlichen Antlitz mit einer Serie von Porträtgemälden in Acryl auf
Leinwand belebt. Damit spannt sie einen stilistisch weiten Bogen zu ihrem bisherigen Werk und
variiert ihr Grundthema vom Einzelwesen in der Masse und ihre prägnanten Kopf-Kreisvariationen
auf frappierende Weise. Ihre Porträts von Kindern und Erwachsenen, die sie persönlich kennt
und aus der Erinnerung und mit Hilfe von Fotos malt, heben mit zeichnerischer Verve die
Merkmale der Person hervor und fesseln mit foto-realistischer Präzision in den prägnanten
Details. Die dezentpastellige Farbgebung unterstreicht die gefühlsbetonte Stimmung, die diese
empfindsamen Bilder von Menschen vermitteln. Miye Lee entzieht einer einfach realistischen
Abbildung den Boden und lässt die Dargestellten ebenso wie die Betrachter/innen gleichsam in
einem dialogischen Schwebezustand, der die freie Interpretation anregt.
Eine eindeutige Festlegung auf eine oder die
programmatische Grundlage der künstlerischen Arbeit von Miye lee ist somit heute noch weniger
möglich als zu Zeiten als sie sich auf großformatigere Variationen von abstrahierten Köpfen
konzentrierte. Ihre abstrakten Bilder stellen Momentaufnahmen impulsiver Interaktion dar,
thematisieren Bezogenheit, Nähe und Distanz zwischen den einzelnen Gestaltungselementen, die
- eine von vielen mögliche Sichtweisen - Stellvertreter von Individuen in der anonymen Menge bzw.
Masse repräsentieren. Die kreisförmigen Elemente und Einheiten oder vielmehr "Ganzheiten" sind
dynamisch angeordnet, scheinen über ihre momentane Verortung hinaus in Bewegung zu sein, eine
individuelle Dynamik und jeweils spezifische Eigentümlichkeit in sich zu tragen und nach
außen zu versprühen. In der Abstraktion erhält das Gestaltungselement Kreisfläche
"Persönlichkeit" und weist über die Anonymisierung hinaus. Die kreis- und kugelförmigen
"Köpfe" der abstrakten Werke der Künstlerin sind bisweilen mehrschichtig übermalt, eingebettet
in den Hintergrund und bewegen sich in einer belebten Landschaft, die Einblick in
Tiefendimensionen und Schichtungen eröffnet. Mögen die lebendig kontrastierenden und kraftvollen
Farbwelten auf den ersten Blick an Pop Art erinnern, sind sie doch auf den zweiten Blick
keineswegs plakativ, sondern vielschichtig und komplex und fordern einen dritten Blick.
Das Werk der 1970 geboren Malerin Miye Lee
verkörpert die besondere Kunst der Frei-Raumgestaltung ihrer Herkunftskultur Südkorea und
setzt pointiert, mit kalligrafisch und malerisch geschärftem, professionellem Repertoire auf die
Verfeinerung Ihrer zeitgenössischen, gewissermaßen "globalen" Kunst.
Sigrun A.E. Bohle, Wien 2008 Die Kompositionen von Miye Lee verkörpern die besondere Kunst der
"Frei-Raumgestaltung" ihrer Herkunftskultur Südkorea. Die abstrakten Bilder sind Momentaufnahmen impulsiver Interaktionen.
Hauptthema der Künstlerin sind die zwischenmenschlichen Beziehungen.
Das Grundthema der Künstlerin, das Einzelwesen in der Masse, wird in ihren Kinderporträts sehr einfühlsam dargestellt.
Der Ausdruck der fast abweisend traurigen Kinderaugen lässt den Abstand zum Betrachter rasch schwinden und löst in ihm,
wenn auch mit leichter Melancholie, ein tiefes Verständnis für die romantische Sehnsucht der Künstlerin
nach einem besseren Zusammenleben aus.
Berliner Zeitung, 2. September 2008
Artikel zur Ausstellung "Individuum und Masse" in der Galerie Frenhofer, Berlin
Miye Lee greift in ihrer Arbeit ein Thema auf,
das für uns in unserer gegenwärtigen Lebenssituation von ganz besonderem Interesse ist.
Leben wir doch in dem paradoxen Spannungsfeld zwischen starker Individualisierung einerseits
und der sogenannten Globalisierung andererseits.
Wie kann sich der Einzelne als Individuum entwickeln in einer sich zunehmend globalisierenden
und gleichgeschalteten Massengesellschaft?
Welche Freiräume kann er/sie sich schaffen, um sich als unverwechselbares Individuum in der
anonymen Masse der Gesellschaft zu positionieren?
Wie gelingt es dem Individuum, die Entwicklung zu einer friedlicheren Weltgesellschaft zu
beeinflussen?
Fragen dieser Art bilden den Ausgangspunkt für die formal stark reduzierten Bilder
der Künstlerin. Lee bringt mittels unterschiedlichen Perspektiven und Farbgebungen
die Individuen -dargestellt als gesichtslose Köpfe- in spannungsreiche oder ruhige Simmungen.
Das Individuum bleibt als solches erkennbar, ist aber in der Bewegung bzw. Dichte der Menge
gefangen und verliert somit als einzelnes an Einfluss.
Gerade diese Situation spiegelt unsere emotionale Spannung zwischen Mensch bzw. individueller
Persönlichkeit und der Masse oder Gesellschaft sehr gut wieder.
Sieglinde Gillmayr Kunsthistorikerin/Galeristin
Ausstellungstext "Mensch/Masse" in der Galerie ars mobilis, Wien 2000
Der Bilderzyklus reflektiert philosophische Gedankengänge Miye Lees über die Position
des individuellen Einzelmenschen innerhalb der anonymen Masse der Gesellschaft.
Die Künstlerin begreift es als Schicksal des menschlichen Individuums, dass dieses als
Bestandteil einer Masse selbst nur mehr anonym in Erscheinung tritt. Fasziniert von dem
Phänomen, wie unterschiedlichste Individuen und Gesellschaften neben- und miteinander
existieren können und zugleich erschreckt von der Tatsache, wie real erlebbar zunächst
abstrakt begriffene Massen werden können, wenn sie sich gegenseitig bekriegen, wird die
romantische Sehnsucht nach einem besseren, friedlichen Zusammenleben nachvollziehbar.
Diese Thematik versucht Miye Lee durch fast ausschließlich abstrakt gestaltete Formen und
unterschiedliche Farben in Kombination mit grafischen Elementen zu visualisieren.
Brigitte Herberstein Kunsthistorikerin
Einfürung des Katalogs "Das anonyme Gesicht der Masse" 1999
Ein besonderes Anliegen, in ihrem abstrahierten, farbig dynamischen Zyklus "Köpfe"
die Rolle des Individuums in der modernen Gesellschaft, im Problemfeld von Kollektivismus,
Anonymität und zwischenmenschlichen Beziehung zum Hauptthema zu erheben.
In diesem Sinne verarbeitet sie auf verschiedenen assoziativen Ebenen ihre Vision der friedlichen
Koexistenz von Kulturen und Konfessionen in Form pastoser, schematisierter Arbeiten, fokussiert
auf das scheinbar eindimensionale Motiv des Kopfes.
Das menschiche Mit- und Nebeneinander äußert sich in Bewegung, Impuls und einem freien Spiel
zwischen gesellschaftlicher Dynamik und Indolenz, umrahmt und konturiert von
kalligraphischen Elementen und gestischen,spontan eingefügten Farbflächen.
Miye Lee distanziert sich von der Vorstellung, dem Betrachter vorgefaßte Interpretationen
vorzulegen, im Gegenteil möchte sie mit ihren Arbeiten neue Ideen evozieren.
Franz Filafer Historiker
Kutur, Kärntner Tageszeitung, 28. April 1999
Artikel zur Ausstellung "Das anonyme Gesicht der Masse" in der Galerie KUNSTFORUM, Klagenfurt
Das Kunstforum der Bauholding zeigt Arbeiten der
Koreanerin Miye Lee. Die Gewinnerin des Sonderpreises der Bauholdingkunstförderung 1999
bezaubert mit ihren ausgewogenen Bildern. In ihren Abstraktionen läßt sich das Gegenständliche,
im Titel vorweggenommen wird, erahnen. Ihre großflächigen Bildtafeln strahlen Wärme und
Ausbalanciertheit aus und sind Auseinanersetzungen mit dem Umfeld des modernen Menschen.
Besonders schön und perfekt wirkt die Präsentation der Arbeiten in den hellen,
lichtdurchfluteten Räumen. Eine wirklich sehenswerte Ausstellung. "Das anonyme Gesicht der Masse", 1999
Kultur, Kirchenzeitung, 2. Mai 1999,
Artikel zur Ausstellung "Das anonyme Gesicht der Masse" in der Galerie KUNSTFORUM, Klagenfurt